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Die Eröffnungsrede von Jürgen Raap

Werner Neumann und Klaus Oetke kuratieren eine Ausstellungstrilogie zu dem Themenkomplex TOD-RELIGION-EROTIK. Fast jeder Künstler setzt sich im Laufe seiner Werkentwicklung mit diesen Themen auseinander – oder zumindest mit einem von ihnen. Es sind mithin zeitneutrale Themen, die in grundsätzlicher Weise Fragen nach der menschlichen Existenz aufgreifen und damit einen gemeinsamen künstlerischen Nenner für alle an der Projektreihe Beteiligten bieten.
Die erste Ausstellung dieses Zyklus zum Thema TOD findet unter dem Titel SchmerzSchatten im November 2002 im Hochbunker in der Körner Str. von Köln-Ehrenfeld statt. In diesem Herbstmonat wird in unserem Kulturkreis traditionell der Toten gedacht: Allerheiligen, Volkstrauertag und Totensonntag sind Tage mit Friedhofsbesuchen und Kranzniederlegungen an Denkmälern.Mit-Veranstalter der Werkschau ist der Verein „Kultur Köln 30“ mit dem Geschäftsführer Heinz Marohn.
29 Kölner Künstlerpersönlichkeiten setzen sich in den Medien Malerei, Zeichnung, Installation, Fotografie und Performance mit der Themenvorgabe auseinander: Augenstein, Daly, Davies Marshal, Demnig, Falck, Foster, Ebbers, Großmann, Heiermann, Helten, Henning, Lambertin, Loh, Kampert, Manrique, Mess, Montague, Müller, Neumann, Oberhäuser, Oetke, Parzival, Peretti, Perez, Schüler, Schulte, Roederer, Wittig und Zolper.
Der Ausstellungsort in der Körner Str. ist mit einer historischen Bürde belastet. Hier befand sich bis Ende der dreißiger Jahre des 20. Jh. eine Synagoge, die von den Nazis zerstört wurde. An ihrer Stelle wurde im Zweiten Weltkrieg der Hochbunker errichtet, der den Bewohnern der umliegenden Straßen bei Bombenangriffen Schutz bieten sollte. Heute steht das Gebäude unter Denkmalschutz und wird für Ausstellungen genutzt.
Bei jener Kriegsgeneration dominierte die Konfrontation mit dem Tod den Alltag. Gegen Ende des Krieges fanden die Fliegerangriffe in fast jeder Nacht statt, und niemand konnte wissen, ob er beim nächsten Angriff nicht unter rauchenden Trümmerbergen verschüttet wurde oder in den Flammen brennender Häuser umkam. Die Druckwellen der Einschläge und Explosionen ließen sogar die Wände der Bunker erzittern.
In anderer Weise war für die Maler früherer Epochen die Anschauung von Tod und Sterben eine höchst vertraute Angelegenheit. Im Mittelalter lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei 35 Jahren. Krankheit und Seuchen rafften viele in jungen Jahren dahin, hinzu kamen Hungersnöte durch Missernten und in Zeiten kriegerischer Belagerung. Todesurteile wurden öffentlich vollstreckt – zur Abschreckung. Die Kunstgeschichte enthält eine Fülle von Allegorien und Parabeln auf den Tod: Albrecht Dürers Kupferstich „Der Ritter, der Tod und der Teufel“ (1513) ist die wohl berühmteste. Eine eigene topologische Gattung bilden in der altmeisterlichen Malerei die „Memento mori“-Motive als Mahnungen an die Vergänglichkeit jeglichen Seins.
Die heutige zeitgenössische Künstlergeneration formuliert eine Todessymbolik aus der eigenen Gegenwart, die ja durch ein immenses Bedrohungsszenario geprägt ist: Atomare Verseuchung nach Reaktorkatastrophen, AIDS, Einsatz von Massenvernichtungswaffen, Terrorismus und andere Formen militanter Gewalt... In kaum einer Nachrichtensendung fehlen Berichte über Unfälle und Attentate.
Der „natürliche Tod“ hingegen wird aus unserem Alltag ausgegrenzt – unsere Todeskultur ist eine solche der Verdrängung, die das Sterben in die Spitäler und Pflegeheime verbannt. Und die anschließende Totenruhe wird alsdann von einer auf betriebswirtschaftliche Effizienz bedachten Friedhofsverwaltung reguliert, die sich durch das durchlüftete „Turbo-Grab“ eine schnellere Verwesung und damit eine „Verkürzung der Liegezeiten“ im Familiengrab erhofft.

Jürgen Raapp

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